Zwischen den Jahren 2004 bis 2006 finanzierte die Deutsche Bundesregierung im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau das Konzept „Regional-biologische Schulverpflegung im Schwalm-Eder-Kreis“. Auftragnehmer war das Fachgebiet Landnutzung und regionale Agrarpolitik der Universität Kassel. Das Vorhaben wurde vergeben mit der Zielsetzung, Erkenntnisse und Erfahrungen für die spezifischen Versorgungsbedingungen ländlicher Regionen zu sammeln und übertragbare Ergebnisse zu dokumentieren. Im Schwalm-Eder-Kreis wurden im Rahmen des Konzepts landwirtschaftliche Biobetriebe mit Direktvermarktungs-Schwerpunkt, Verarbeitungs- und Großküchenbetriebe mit sozialer Ausrichtung sowie aufgeschlossene Schulen verknüpft, um an Ganztagsschulen regional produzierte Bio-Kost anzubieten. Das Vorhaben wurde zunächst an Modellschulen realisiert und im zweiten Schritt breitenwirksam auf den gesamten Landkreis ausgeweitet. |
HINTERGRÜNDE – Warum gibt’s es?
Mit dem Konzept „Regional-biologische Schulverpflegung im Schwalm-Eder-Kreis“ werden drei Ziele verfolgt:
(1) Verbesserung der Nahrungsqualität: Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zur gesunden Schulverpflegung beinhalten die Forderung, dass der Anteil frisch zubereiteter Bestandteile ausgeweitet werden sollte. Die Nutzung von regionalem Bio-Gemüse kann hierbei bei geeigneter Organisation Qualitäts- und Gesundheitsvorteile bieten.
(2) Nachhaltige Ernährungsbildung an Schulen: Abgesehen von Hinderungsgründen im Küchenbereich behindert zumeist die fehlende Akzeptanz der Kinder den Einsatz von frischem Gemüse in der Essenszubereitung. Dieses Hemmnis soll durch Angebote erlebnisorientierter Ernährungsbildung praxisnah als Kooperationsangebot zwischen Schulen und den beteiligten Betrieben der Essenskette abgebaut werden. Kinder sollen erleben, was auf dem Teller ist und die Menschen kennenlernen, die wertvolle Lebensmittel für sie produzieren. Die räumliche Nähe zwischen vielfältiger Urproduktion, Verarbeitung und den Bildungseinrichtungen, wie sie im Schwalm-Eder-Kreis vorhanden ist, bietet gute Voraussetzungen für diesen Ansatz.
Kleine nachvollziehbare Kreisläufe wie »vom Acker in die Schulkantine« bieten Ansätze für Lernprozesse nach dem Leitbild einer »Bildung für nachhaltige Entwicklung«. Das Kernstück bildet eine kompakte Projektwoche für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren, die sich an einem ganzheitlich umweltpädagogischen Bildungskonzept orientiert und verschiedene Elemente enthält: Der sinnesorientierte Einstieg über Stationsarbeiten (Lernwerkstätten) soll in das Thema einführen, Interesse wecken und Wissen vermitteln. Der Besuch bei einem Kooperationspartner der Region soll den Kindern authentische Hintergrundinformationen und eigene konkrete Lebenserfahrungen ermöglichen. Die Herstellung eigener Produkte soll die Chance bieten, schöpferisch tätig zu werden und die neuen Erfahrungen durch eigene praktische Aktivitäten zu verarbeiten. Die abschließende Auszeichnung mit einem Zertifikat soll die persönliche Aneignung erhöhen und zur weiteren Auseinandersetzung motivieren. Entstanden ist nach einjähriger Entwicklungsarbeit die so genannte »Besser-Esser-Woche«, bei der es um gesunde Ernährung, regionale Landwirtschaft und biologischen Landbau geht. Die Kinder lernen nicht im Klassenzimmer, sondern aktiv und mit allen Sinnen auf dem Bauernhof und in die Schulküche. Am Ende gibt es als Zertifikat den »Besser-Esser-Pass«.
(3) Sicherung und Schaffung von Arbeit und Einkommen: Da die Bundesregierung im Jahre 2003 eine Vereinbarung mit den Bundesländern zur Förderung von Ganztagsschulen unterzeichnet hatte, wurden innerhalb von drei Jahren 10.000 Ganztagsschulen eingerichtet. Diese Vereinbarung beinhaltete, dass die Versorgung der Schulkinder mit einem warmen Mittagessen gewährleistet sein muss, wodurch bundesweit der Umsatz der Außer-Haus-Verpflegung anstieg. Da davon auszugehen ist, dass die Außer-Haus-Verpflegung durch Veränderungen in den Familienstrukturen und in der Arbeitswelt weiterhin zunehmen wird, sind sowohl im öffentlichen, halböffentlichen als auch im privaten Bereich weitere Umsatzzuwächse zu erwarten. Die besondere Herausforderung auf lokaler Ebene besteht darin, die Akteure entlang der Wertschöpfungskette so in Verbindung zu bringen, dass auf allen Stufen mehrere Vorteile einer regionalen Kooperation erkennbar und nutzbar werden, auch solche, die sich nicht aus der betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung erschließen lassen. Aus den zu erwartenden zusätzlichen Essenszahlen wird deutlich, dass dieser Bereich einen erheblichen Beitrag zu Sicherung und Schaffung von Arbeit und Einkommen auf regionaler Ebene leisten kann. Wird das Essen in der Region hergestellt, entstehen im Bereich der Großküchenbetriebe neue Arbeitsplätze. Die Entscheidung über die Herkunft der Rohwaren bestimmt darüber, ob und im welchen Umfang regionale Bauernhöfe, Gärtnereien und Verarbeitungsbetriebe an der Wertschöpfung beteiligt werden.
CHARAKTERISTIKA – Was macht's besonders?
Das Projekt „Regional-biologische Schulverpflegung im Schwalm-Eder-Kreis“ ist ein Modellversuch für die Einführung eines Schulverpflegungskonzepts auf der Grundlage regionaler Betriebe des Ökolandbaus und der Weiterverarbeitung von Ökolebensmitteln. Mit dem Modellvorhaben soll aufgezeigt werden, wie diese Aufgabe als Chance genutzt werden kann, um eine gesunde Ernährung von Schülern mit zeitgemäßen Konzepten erlebnispädagogischer Ernährungsbildung auf Biohöfen zu verbinden. Zugleich soll damit aufgezeigt werden, wie mit dieser gesellschaftlichen Aufgabe ein Beitrag zur Sicherung und zum Ausbau von Arbeit und Einkommen in der Region geleistet werden kann. Das Projekt zeigt, dass Regionalpolitik mit relativ geringem Aufwand – die Aufgabe bestand in erster Linie in der Vernetzung lokaler Akteure – eine immense Wirkung erzielen kann. Zudem werden ebenfalls ohne große Anstrengungen zugleich mehrere Nachhaltigkeitsziele erreicht: Kindern wird früh ein Bewusstsein für Ernährung und Öko-Landbau vermittelt, das ihre Konsumgewohnheiten im besten Falle langfristig verändert; der Öko-Landbau wird gefördert und Anreize für seine Ausweitung geschaffen; regionale Resilienz wird gestärkt, die Wertschöpfung in der Region gehalten, regionale Kooperationen initiiert und soziale Strukturen belebt. Das Projekt „Regional-biologische Schulverpflegung im Schwalm-Eder-Kreis“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie einfach es ist, sinnhafte lebensdienliche, nachhaltige Strukturen zu schaffen.
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