Bei dem Ökodorf Sieben Linden, in Poppau nähe Magdeburg, handelt es sich um eine Lebens- und Dorfgemeinschaft, die unterschiedliche Wege einer zukunftsfähigen Lebensweise gemeinschaftlich entwickelt und erprobt. Die Idee eines selbstversorgenden und ökologischen Dorfes entstand 1989 innerhalb einer kleinen Gruppe von ÖkodorfinteressentInnen. Von anfänglich 20 PionierInnen ist das Ökodorf Sieben Linden mittlerweile auf 140 Menschen angewachsen (100 Erwachsene und 40 Kinder im Alter von 0-74 Jahren). Die Vision der DorfbewohnerInnen von Sieben Linden ist es, eine sozial und ökologisch ausgerichtete Siedlung aufzubauen.

Die Grundlagen ihres Vorhabens bilden überschaubare Strukturen, weitgehende Selbstversorgung und Selbstverantwortung. Insgesamt tragen vier Organisationen das Ökodorf Sieben Linden:

  1. Der Freundeskreis Ökodorf e.V. ist ein bundesweiter gemeinnütziger Verein und Träger der Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit von Sieben Linden.
  2. Die Siedlungsgenossenschaft Ökodorf e.G. ist Trägerin des Dorfprojektes. Alle festen BewohnerInnen von Sieben Linden sind gleichberechtigte EigentümerInnen des Geländes, der Gemeinschaftsgebäude sowie der vorhandenen Infrastruktur in Sieben Linden. Aufgabenschwerpunkt der Siedlungsgenossenschaft stellt die Selbstversorgung des Dorfes dar.
  3. Unter dem Dach der Wohnungsgenossenschaft Sieben Linden e.G. können Häuser geplant, gebaut und verwaltet werden. Ein nachhaltiges Bauen auf dem Gelände von Sieben Linden stellt ein wesentliches Ziel für das Ökodorf dar.
  4. Alle DorfbewohnerInnen sind Mitglied im Verein Naturwaren Sieben Linden e.V. und werden über einen festgelegten und für alle gleichen Mitgliedsbeitrag mit Lebensmitteln versorgt.

Die vier tragenden Organisationen sowie der Verein ‚einfach gut Leben e.V.‘ (eurotopia-Buch) bilden zugleich die fünf Hauptarbeitergeber auf dem Ökodorf. Auch haben sich bereits einige Betriebe etabliert, wie der Wildkräuterversand, Roll Living (Produktion und Weiterverkauf von Lebensmitteln im Rohkostbereich), eine Tischlerei und eine Schmuckschmiede. Insgesamt verfolgt das Ökodorf Sieben Linden das Ziel, zukünftig ein immer dichter werdendes Netz der gegenseitigen Unterstützung aufzubauen, indem möglichst viele Arbeitsplätze im Dorf und der Umgebung geschaffen werden.

HINTERGRÜNDE – Warum gibt es das Projekt?

1989 wurde innerhalb einer kleinen Gruppe die Idee eines ökologischen und selbstversorgenden Dorfes geboren. Daraus bildete sich eine Kerngruppe von ÖkodorfinteressentInnen, die 1991 den Verein Freundeskreis Ökodorf e.V. gründete. Kurz darauf wurde 1993 die Siedlungsgenossenschaft Ökodorf e.G. gegründet, die zeitgleich den Hof „die bunte vier“ in Groß Chüden in der Altmark in Sachsen-Anhalt kaufte. Dieser Hof bot einen Lebensraum für bis zu 25 Menschen und diente als vorläufige Anlaufstelle für alle Ökodorfinteressierten und als Planungswerkstatt zur Realisierung des Dorfprojektes. Kurz darauf wurde der Standort in Poppau gefunden. Die Auswahlkriterien für die Errichtung einer Siedlungsgemeinschaft waren unter anderem: eine ausreichende Gründstücksgröße, bereits bezugsfähige Gebäude, bestehende Infrastrukturen (wie Straßen, Elektrizität, Bus- und Bahnanbindung) und die Möglichkeit für eine zukünftige Solarenergie- Nutzung. 1997 zogen bereits die ersten BewohnerInnen mit einem Bauwagen nach Sieben Linden. Gleichzeitig wurde der auf dem Gelände vorhandene alte Bauernhof nach ökologischen Kriterien umgebaut und zum Gemeinschaftsgebäude und Regionalzentrum ernannt. Zwischen 1997 und 1998 wurde unter Begleitung einer Städteplanerin und eines Permakultur-Designers die Flora und Fauna ermittelt, ein Solarnutzungsgutachten erstellt und die Bodenbeschaffenheit untersucht. Insgesamt stellt die Siedlungsplanung im Ökodorf Sieben Linden einen laufenden Prozess dar, bei dem die Siedlungsplanungsgruppe einzelne Vorhaben des Dorfes jahrelang kontinuierlich bearbeitet. Den PlanerInnen von Sieben Linden ist es wichtig, das Gesamtbild der Siedlungsgemeinschaft im Auge zu behalten, gleichzeitig dem Prozess ausreichend Raum zu geben und zukünftig entscheidungsfähig zu bleiben. 1999 wurde die Infrastruktur erweitert und drei Hektar landwirtschaftlich verarmter Boden wurden in Gartenland umgewandelt. Im selben Jahr wurde die Wohnungsgenossenschaft Sieben Linden e.G. als Trägerin für den Wohnungsbau gegründet. Acht Hektar Bauland stehen den BewohnerInnen von Sieben Linden für die Bebauung von Häusern im Dorf zur Verfügung. Derzeit befinden sich bereits acht Wohnhäuser, das Regional- und Seminarzentrum und weitere kleinere Gebäude auf dem Gelände. Das Dorf umfasst heute 81,5 Hektar, wovon insgesamt 45 Hektar Wald ausmacht.

Den DorfbewohnerInnen von Sieben Linden ist insbesondere ein schonender Umgang mit Ressourcen in allen Bereichen des täglichen Lebens wichtig (wie Hausbau, Mobilität, Wassernutzung, Energieversorgung, Müll, Ernährung). Gerade die Selbstversorgung stellt einen hohen Stellenwert für die Dorfgemeinschaft dar und bildet für die ÖkodorfbewohnerInnen das Fundament einer kooperativen und selbstorganisierten Lebenswelt. Zugleich spielt die Vernetzung mit der Region eine tragende Rolle. Damit sollen regionale Versorgungsnetze aufgebaut werden, um sich der globalen Ausbeutung entziehen zu können. Da nicht alle Produkte auf dem Dorf produziert werden können, werden bei zugekauften Produkten folgende sozial-ökologische Vertretbarkeitskriterien überprüft: Material, Verpackung, Herkunft und Transport. Die regionalen Bezugsquellen betrachten die DorfbewohnerInnen als eine Erweiterung ihrer Selbstversorgungsidee.

Auch verfolgen die DorfbewohnerInnen den Anspruch ein System zu entwickeln, das die gemeinsame Entscheidungsfindung optimiert und das unnötige Reibungen auf der Suche nach Lösungen verhindert. Da seit Beginn des Ökodorfes einige Menschen hinzugekommen sind, wurde ein Kleingruppensystem eingeführt, um Entscheidungen möglichst dezentral treffen zu können. Die Grundlage bildet die Übernahme von Verantwortung seitens der BewohnerIn, die/der sich für mindestens einen Themenbereich in einer 2-3 Personengruppe einbringt. Übersteigen die jeweilig diskutierten Themen den Kompetenzrahmen der Kleingruppe und betreffen die gesamte Dorfgemeinschaft, werden sie den zuständigen Räten weitergeleitet. Insgesamt befinden sich fünf Räte im Ökodorf: den Rat für die Siedlungsgenossenschaft, für Soziales, für das Bauen, für die Lebensmittelversorgung und den Bildungsrat. Alle darüber hinaus liegenden Themen werden in die monatlich stattfindende Vollversammlung getragen. Diese stellt das höchste Organ des Ökodorfes dar. Die Entscheidungsfindung wurde bisher mittels der Zwei-Drittel-Mehrheit durchgeführt. Derzeit wird mit dem sogenannten ‚systemischen Konsensieren‘ und der Soziokratie experimentiert. So wird gemeinsam ausprobiert, welche Entscheidungsmethode geeigneter ist.

CHARAKTERISTIKA – Was macht's besonders?

Eine selbstorganisierte Lebens- und Dorfgemeinschaft wie Sieben Linden zeigt, wie soziale und ökologische Siedlungen aufgebaut und organisiert werden können. Gerade ihre Zielsetzung, nämlich einen Raum zu schaffen, in denen Menschen sich respektvoll begegnen und jede/r BewohnerIn durch das Ökodorf geschützt und genährt werden soll, weist eine zukunftsfähige und lebensfreundliche Perspektive auf. Der Leitgedanke, gemeinsam zu leben und zu arbeiten und das erwirtschaftete solidarisch miteinander zu teilen, gibt viele Anstöße für weiterführende Überlegungen, die über das Ökodorfleben hinausgehen. Denn nicht alle Menschen wollen in einer solch engen Dorfgemeinschaft leben. Jedoch können Teilaspekte, wie beispielsweise die Organisation in Räten oder die Bildung von Genossenschaften für das ökologische und nachhaltige Wohnen und Bauen, auch im Städtebereich implementiert werden. Das würde dazu führen, dass die Anonymität in Städten reduziert wird, indem die Menschen sich in einem engeren Austausch untereinander befinden, was insgesamt die Nachbarschaftsbeziehungen wieder neu belebt. Zusätzlich wird dadurch das Mitgestalten des eigenen Lebensumfeldes ermöglicht. Auch der Selbstversorgungsaspekt kann im städtischen Bereich weitergedacht werden.

Weiterführende Information