Der Better Life Index (BLI) wird seit 2011 von der OECD erstellt, um die "allgemeine Lebensqualität" in den 34 OECD-Mitgliedsstaaten und einigen weiteren Ländern wie Brasilien und Russland, aber -- mit einem abgespeckten Indikatorenset -- auch in Teilregionen (Provinzen, Bundesländern) vergleichbar zu machen.

 

Selbstverständnis und Motivation

Die OECD gehörte nach der UNO und mit der Weltbank zu den Institutionen, die sich -- auf Basis ihrer umfangreichen vergleichenden Statistiken -- schon vor einigen Jahren über Alternativen zum BIP als zentraler wirtschaftspolitischer Kennzahl Gedanken machten. Zum 50. Geburtstag der OECD wurde 2011 mit dem Better Life Index (BLI) ein Kennzahlensystem mit angeschlossenem interaktivem Webportal gelauncht, welches diese Überlegungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Konkreter Anlass für den BLI war das wahrgenommene Bedürfnis nach einer Maßzahl dafür, "worauf es im Leben ankommt", und dass Regierungen zunehmend danach -- und nicht nach dem Wachstum des BIP -- gemessen werden sollten. "Die Better Life Initiative der OECD soll hier Abhilfe schaffen. Ihr Ziel ist es, zu klären, was für das Wohl der Menschen wichtig ist und was Staaten tun können, um größere Fortschritte für alle zu erzielen." [1] Der BLI soll dazu als Kennzahl "die allgemeine Lebensqualität in einem Land" repräsentieren.

 

Methodik

Der BLI besteht aus elf Themenfeldern, "die zu Lebensqualität und Wohlergehen beitragen" und anhand von 24 Einzelindikatoren gemessen werden:

  • Gemeinsinn, gemessen an der wahrgenommenen Qualität des unterstützenden sozialen Netzwerks ("social network support")
  • Bildung, gemessen am Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung mit zumindest sekundärer Bildung, an PISA-Testergebnissen & prospektiven Bildungsjahren für 5-Jährige
  • Umwelt, gemessen an Luftverschmutzung (Feinstaubbelastung in Ballungszentren) & subjektiv wahrgenommener Wasserqualität
  • zivilgesellschaftliches Engagement, gemessen an subjektiv wahrgenommenem Einfluss auf die Gesetzgebung & letzter Wahlbeteiligung
  • Gesundheit, gemessen an Lebenserwartung & subjektiv wahrgenommener guter Gesundheit
  • Wohnverhältnisse, gemessen an Wohnausgaben, Anteil der Wohnungen ohne sanitäre Grundausstattung & Räumen/Person
  • Einkommen, gemessen am verfügbaren Haushalts-Nettoeinkommen & -vermögen
  • Beschäftigung, gemessen an Beschäftigungs- & Langzeit-AL-Quote, Jobsicherheit (Wahrscheinlichkeit, arbeitlos zu werden) & Einkommen unselbständiger Beschäftigter nach Vollzeit-Äquivalenten
  • Lebenszufriedenheit, gemessen an subjektiv wahrgenommener Lebenszufriedenheit (lt. Gallup World Poll, Mittelwert aus versch. Selbsteinschätzungen von 0-10, der sog. "Cantrill Ladder" oder "Self-Anchoring Striving Scale")
  • Sicherheit, gemessen an subjektiv angegebener "Übergriffsrate" & Mordrate
  • Work-Life-Balance, gemessen am Anteil von Beschäftigten mit sehr langen Arbeitszeiten (>50 Stunden) & Zeit für Freizeit & Regeneration (gemessen durch nationale Zeitverwendungsstatistiken)

Bei regionalen Analyse auf Provinz- oder Bundesländer-Ebene werden lediglich neun Themenfelder erfasst (ohne Gemeinsinn, Lebenszufriedenheit & Work-Life-Balance), die meist nur durch einen einzigen Indikator gemessen werden. Die einzelnen Themenfelder werden grundsätzlich gleich gewichtet, über das Web-Interface "Your Better Life Index" sind aber individuelle Gewichtungen möglich. Die Themenfelder lassen sich als unterschiedlich große "Blütenblätter" graphisch veranschaulichen, welche Merkmalsausprägungen von Lebensqualität darstellen sollen. Sie lassen sich aber auch zu einem Gesamt-Score aggregieren, der Basis für ein Länder-Ranking ist. Der Fokus des Ländervergleichs liegt auf den die 34 OECD-Mitgliedsstaaten, Brasilien und Russland, es werden aber nach Verfügbarkeit der Daten weitere Länder einbezogen.

 

Aussagekraft

Der BLI lässt sich als zusammengesetzter Indikator für "allgemeine Lebensqualität" interpretieren. Es ist aber auch möglich, einzelne Themenfelder und sogar Einzelindikatoren miteinander zu vergleichen und zu analysieren. Die Ergebnisse lassen sich (mit eingeschränktem Indikatorensatz) auch regional und nach bestimmten soziodemographischen Merkmalen ausgeben. Der BLI kommt -- vergleicht man die ungewichteten Länderrankings -- zu recht ähnlichen Ergebnissen wie der LPI - Legatum Prosperity Index und der SPI - Social Progress Index, und er korreliert wie diese deutlich mit dem BIP -- und bestätigt damit dessen Wert als Proxy dafür, was der BLI misst. Auch der BLI entzieht sich der Frage, wie und v. a. wie nachhaltig diese Lebensqualität letztlich produziert wird -- und inszeniert sie als fairten Wettbewerb zwischen Nationalstaaten. Zugleich scheint die Möglichkeit, die gemessenen Themenfelder kurzfristig politisch zu beeinflussen, meist sehr begrenzt. Die Möglichkeit, individuelle Gewichtungen der einzelnen Bereiche vorzunehmen, macht vielmehr deutlich, dass es sich auch beim BLI letztlich um kein politisch brauchbares Instrument handelt, sondern eher um ein verspieltes Tool mit fragwürdigem Informationswert.

 

Praxis

Der BLI dient in erster Linie als Basis für die Information der Öffentlichkeit über die "allgemeine Lebensqualität" in verschiedenen Ländern und Regionen, die über ein interaktives Web-Portal bezogen werden kann.

 

Plus/Minus

+

  • stringentes Design
  • aussagekräftige Indikatoren
  • Information nach Regionen und soziodemographischen Merkmalen möglich

-

  • ökologische Aspekte relativ vernachlässigt
  • Quellen und Nachhaltigkeit von Lebensqualität werden nicht thematisiert -- reine Zustandsbeschreibung
  • relativ wenige Indikatoren für einzelne Themenfelder, v. a. auf regionaler Ebene
  • reines Info-Tool ohne politische Relevanz

 

Quellen

[1] OECD Better Life Index >> OFFIZIELLE WEBSITE