Der Happy Planet Index (HPI) wurde 2006 von der britischen new economics foundation (nef) als "headline indicator" für gesellschaftlichen Fortschritt entwickelt. Als Basis dafür dienen der Index der Happy Life Expectancy, Vorläufer des Konzepts der HLY - Happy Life Years, und der Index des EFP - Ecological Footprint. Sie werden zu einem Quotienten verschmolzen, der als "Effizienzmaß" darüber Auskunft geben soll, wie viele glückliche Lebensjahre mit einem bestimmten Ressourceninput aktuell "produziert" werden.

 

Selbstverständnis und Motivation

Der Happy Planet Index (HPI) wird von seinen ErfinderInnen am Centre for Well-Being der nef als "index of sustainable well-being" verstanden. Er beschränkt sich auf ganz wenige essentielle Aspekte des Wohlbefindens ("measuring what matters"), kommt dabei ohne klassische ökonomische Kennzahlen aus und präsentiert sich damit als alternatives, wirklich universell anwendbares Vergleichsmaß für die Leistungsfähigkeit einer Regierung "to produce happy, healthy lives now and in the future" [1] -- eine Zielsetzung, von der arme und reiche Länder aus unterschiedlichen Gründen noch jeweils relativ weit entfernt sind, weil Wirtschaftswachstum Lebensglück nur eingeschränkt positiv, Nachhaltigkeit dagegen massiv negativ beeinflusst -- auch darauf will der HPI hinweisen.

 

Methodik

Der HPI vereint wenige, objektive und subjektive, ökonomische, soziale und ökologische Kennzahlen zu einem Effizienzmaß dafür, wie viele lange und glückliche Menschenleben auf einer bestimmten Fläche mit welchem Aufwand an natürlichen Ressourcen "produziert" werden können.

Rechnerisch ergibt sich der HPI als Quotient aus einer Indexzahl für "glückliche Lebensjahre" und dem EFP - Ecological Footprint:

HPI = subjektives Wohlbefinden x Lebenserwartung / ökologischer Fußabdruck

Der HPI lässt sich entweder als standardisierter Index auf einer Skala von 0-100 ausgeben, oder als graphischer Plot aus glücklichen Lebensjahren (meist y-Achse) und ökologischem Fußabdruck (meist x-Achse). Für jede der Komponenten gibt es nahezu weltweit verfügbare, in einheitlicher Form erhobene Daten: Subjektives Wohlbefinden wird aktuell mit dem Instrument "Ladder of Life" der Gallup World Poll erhoben, welche die Zufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation insgesamt, auf einer Skala von 0-10, messen soll. Daten zur Lebenserwartung entstammen dem UNDP Human Development Report. Der "ökologische Fußabdruck" wird nach der Methode und auf Basis der Daten des WWF berechnet. Aktuell lässt sich der HPI auf Basis dieser Daten für mehr als 150 Länder berechnen und vergleichen.

 

Aussagekraft

Der HPI lässt sich als abstrakte Maßzahl für das Ideal einer nachhaltigen Entwicklung interpretieren, welche -- gemäß der kanonisch gewordenen "Brundtland-Definition" -- "die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können". Die damit konkret gemessene Zielsetzung "to produce happy, healthy lives now and in the future" stellt eine zugleich essentielle wie universelle Herausforderung im Rahmen einer solchen nachhaltigen Entwicklung dar. Der HPI verdichtet dazu bestehende Indizes, besteht aber dennoch aus vergleichsweise wenigen Messgrößen. Angesichts der hohen Validität der einzelnen Indikatoren, der relativ verlässlichen Datenbasis und der Möglichkeit, den HPI wahlweise als Quotient oder als graphischen Plot auszugeben, ergibt sich hier aber -- gerade auch im Vergleich zu anderen, weitaus komplexeren Indizes -- ein bestechend günstiges Verhältnis zwischen Einfachheit und Aussagekraft. Die Aussage des HPI erscheint vor diesem Hintergrund klar, gültig, verlässlich und universell.

Empirisch zeigt der HPI ganz deutlich, dass Wohlbefinden und ökologische Nachhaltigkeit nicht einfach durch "mehr Wirtschaft", gemessen am BIP, zu haben sind -- ganz im Gegenteil: Ein wirklich enger kausaler Zusammenhang mit der Entwicklung des BIP lässt sich lediglich für die Lebenserwartung nachweisen. Wohlbefinden hat dagegen ab einem bestimmten Grad wirtschaftlicher Entwicklung nur mehr wenig mit Wirtschaftswachstum zu tun, und ökologische Nachhaltigkeit wird eher deutlich negativ davon beeinflusst.

Im Ländervergleich auf Basis des HPI schneiden dementsprechend relativ überraschend ganz andere Länder am besten ab als bei den anderen, alternativen Länderrankings auf Basis bspw. des BLI - Better Life Index, LPI - Legatum Prosperity Index oder SPI - Social Progress Index, die sich im Ranking kaum unterscheiden. Vorne liegen nämlich Länder wie Costa Rica oder Kolumbien, aber auch Vietnam, die in allen Bereichen relativ gut abschneiden -- auch wenn sie nicht perfekt sind. Indes: Bangladesh liegt auf Rang 11, Albanien als mit Abstand bestes europäisches Land (noch einige Plätze vor Norwegen) auf Rang 18. Länder mit hohem Wohlstandsniveau auf Basis eines unverantwortbaren ökologischen Fußabdrucks landen dagegen bestenfalls im Mittelfeld -- ein Land wie Qatar findet sich gar an vorvorletzter Stelle. Wenn auch weitgehend intuitiv nachvollziehbar, bringt dieses Ranking herkömmliche Vorstellungen von gesellschaftlicher Entwicklung doch ordentlich ins Wanken -- was an sich gut und richtig ist. Zugleich macht sich das Fehlen weiterer (z. B. politischer, sozialer und kultureller) Indikatoren im Einzelfall doch negativ bemerkbar: Im Fall von Qatar meint man vielleicht darauf verzichten zu können, im Fall von Albanien oder Bangladesh wohl eher nicht.

Aktuell kann der HPI deshalb v. a. als heuristisches Tool, als Prototyp für eine neue Sozial- und Wirtschaftsstatistik, und als erfrischender Beitrag zur Debatte um nachhatigen gresellschaftlichen Fortschritt betrachtet werden. nef beteiligt sich davon ausgehend an der Entwicklung eines Systems ähnlich aufgebauter Indizes oder "headline indicators", die gesellschaftlichen Fortschritt in umfassender Weise -- hinsichtlich seiner Ziele, der dafür notwendigen Ressourcen, Prozesse und Systeme -- messen soll, die nicht nur methodologisch möglichst wasserdicht, sondern v. a. politisch relevant und brauchbar ist.

 

Praxis

Die Aussage des HPI lässt sich auch zu einer überzeugenden politischen Forderung verdichten: Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung geht es darum, das Leben der Menschen konkret zu verbessern und das nicht auf Kosten anderer, der natürlichen Umwelt und künftiger Generationen zu tun. In diesem Sinne lässt sich der HPI auch als Zielwert definieren (z. B. ein Wert von 89 bis 2050), basierend auf aus heutiger Sicht erreichbaren Zielgrößen in allen Bereichen. Um die Umsetzung dieser Ziele politisch verbindlich zu machen, schlägt nef eine sogenannte Happy Planet Charter vor, die von Regierungen unterzeichnet werden soll, die das Ziel, nachhaltiges soziales Wohlbefinden für alle sicherzustellen, an die erste Stelle ihrer Bemühungen stellen wollen. Hoffnung setzt man dabei nicht zuletzt in die UNO, die den HDI (oder ein ähnlich ausgestaltetes, erweitertes Indikatorensystem) im post-MDG Rahmenwerk ab 2016 verankern könnte.

 

Plus/Minus

+

  • überzeugend konzipiert, klar & einfach verständlich
  • vereint subjektive & objektive Messgrößen
  • vereint soziale, ökon. & ökol. Aspekte in innovativer Weise
  • konzipiert ökonomische Größen als Mittel zum Zweck, nachhaltiges Wohlbefinden für alle zu schaffen
  • macht deutlich, dass die Herausforderungen für alle Staaten - ob reich oder arm - im wesentlichen dieselben sind
  • macht deutlich, dass das alles in erster Linie keine methodologischen, sondern politische Fragen & Entscheidungen sind
  • zeigt ein völlig anderes Bild von "fortgeschrittenen Ländern"

-

  • hat natürlich Lücken
  • liefert teils fragwürdige Ergebnisse (z. B. die guten Platzierungen von Bangladesh und von Albanien als bestes europäisches Land)

 

Quellen

[1] Factsheet "Happy Planet Index" >> ONLINE-DOKUMENT

[2] Happy Planet Index >> OFFIZIELLE WEBSITE

[3] Stiglitz et al. 2009 : 52