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In einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt hat sich das ImZuWi-ForscherInnenteam zum Ziel gesetzt, den aktuellen Diskussionsstand in der Auseinandersetzung mit dem Thema „regionale Resilienz“ kritisch zu dokumentieren, Besonderheit und „Mehrwert“ des Begriffs für Forschung und Praxis zu verdeutlichen und daraus ggf. Perspektiven und Elemente für die Regionalpolitik abzuleiten. Es handelt sich damit um eine erste Bestandsaufnahme, die sich mit Notwendigkeit und Möglichkeit regionaler Resilienz als Konzept und Strategie kritisch auseinandersetzt.
Ende Sommer/Anfang Herbst erscheint eine überarbeitete Version des Projektberichts als Buch -- Details dazu in Kürze! Einstweilen verweisen wir auf unseren Themenschwerpunkt "Regionale Resilienz". Neben kritisch-konzeptiven Fragen zur aktuellen Debatte stellen wir darin auch eine Reihe konkreter Beispiele vor, die sich von der Idee regionaler Resilienz -- verstanden als Relokalisierung wirtschaftlichen Handelns als Vorausetzung und Hebel für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung -- leiten lassen.

Was kann "regionale Resilienz" bedeuten? Ein schneller Überblick

Die Entstehung und rasche Verbreitung des Resilienz-Begriffs in Raumforschung und Regionalentwicklung ist vor dem Hintergrund von Klimawandel, anstehendem Erdölfördermaximum (Peak Oil), multiplen Krisen nach 2007 und von zunehmenden Zweifeln an einer „großen Transformation“ hin zu einer global nachhaltigen Entwicklung zu sehen.
Resilienz steht dabei für einen „Perspektivwechsel“ hin zu Fragen der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit und des „ökonomischen Selbstschutzes“. Manche sprechen hier auch bereits von der „neuen Nachhaltigkeit“, insofern Resilienz zum neuen Leitbegriff im Sinne vieler „kleiner Transformationen“ vor Ort werden könnte – nicht unbedingt als Ersatz, aber als Ergänzung zum Begriff der Nachhaltigkeit.
Wie beim Begriff der Nachhaltigkeit handelt es sich auch beim Resilienz-Begriff zunächst um ein abstraktes theoretisches Konstrukt, das sich in der aktuellen Debatte in Raumforschung und Regionalentwicklung aus dem sogenannten „ökologischen“ Resilienzbegriff nach Crawford S. Holling herleitet. Zentral für diesen Begriff ist eine Auffassung von Resilienz als laufender, evolutionärer Anpassungsprozess an veränderliche externe Umweltfaktoren mit dem Ziel des Erhalts von Struktur, Funktionen, Beziehungen und Identität eines Systems.
Die Abstraktheit und der universelle Geltungsanspruch dieses Modells für alle „lebenden Systeme“ bieten entsprechend großen Interpretationsspielraum – und damit auch Möglichkeiten zum Missverständnis und zur Vereinnahmung des Begriffs: konkret etwa auch zur zeitgeistigen Neubenennung eines neoliberalen Anpassungsdiskurses, in dem Resilienz als Wettbewerbsfähigkeit und die Region als Standort firmieren und damit Fragen zukunftsfähiger Transformation in sozio-ökonomischer und ökologischer Hinsicht ausgespart bleiben.
Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass in der Diskussion um regionale Resilienz in der Forschung (auch im Mainstream) weitgehendes, allgemeines Einvernehmen darüber besteht,

  • dass Resilienz angesichts multipler Krisen und Bedrohungsszenarien eine zunehmend bedeutende Eigenschaft von urbanen wie ländlichen/peripheren Räumen ist,
  • dass Resilienz den Imperativ der Nachhaltigkeit nicht ersetzt, aber doch – etwa um Aspekte der regionalen Krisenfestigkeit – ergänzt,
  • dass Resilienz dabei nicht nur die Fähigkeit zur Wiederherstellung („bouncebackability“), sondern auch zur Selbsterneueung einer Region in Bezug auf ihre Funktionen, Strukturen, Identitäten und Beziehungen bzw. Wechselwirkungen beinhaltet,
  • dass Resilienz dabei nicht als Zustand, sondern als laufender Prozess aufzufassen ist, der über reine Anpassung hinaus auch Lernen, Selbststeuerung und -erneuerung und somit ggf. Transformation umfasst,
  • dass Resilienz dabei allgemein durch Eigenschaften wie Diversität, Modularität, Redundanz und straffe Feedbacks/kurze Wege gefördert wird.

Aufbauend auf diesem allgemeinen Begriffsverständnis, auf jüngeren empirischen Studien und insbesondere auf ersten alternativen, auf eine zukunftsfähige Transformation ausgerichteten Ansätzen wurde im ImZuWi-Projekt eine leitende Vorstellung von regionaler Resilienz entwickelt, die

  • vom Gedanken einer expansiven Entwicklung abrückt, sich somit nicht in einer bloßen Anpassung an externe Krisen oder Schocks erschöpft, sondern transformativ angelegt ist,
  • eine Regionalisierung oder Re-Lokalisierung der Wirtschaft als zentrale Zielsetzung formuliert, um damit – als Instrument – ökologische Folgelasten zu minimieren und das Leben zu verbessern,
  • sozialen Innovationen neben technologischen eine zentrale Rolle beim Übergang in eine nachhaltige post-fossile Zivilisation beimisst.

Im Vordergrund stehen dabei sozio-ökonomische Aspekte regionaler Resilienz: Einerseits, weil sich darin die aktuelle Problematik peripherer ländlicher Räume aber auch des zu erwartenden postfossilen Strukturwandels der globalen Ökonomie ausdrückt, zum anderen aber auch, weil wirtschaftliches Handeln – als vitaler Kern menschlicher Praxis – Lebensgrundlagen schafft (oder zerstört) und damit ganz wesentlich auch die Resilienz unserer ökologischen und sozialen Systeme beeinflusst.
Im Gegensatz zu ersten „Mehrebenen-Analysen“ regionaler Resilienz liegt das Hauptaugenmerk damit normativ auf der Präzisierung einer alternativen Vision regionaler Resilienz als neues, zukunftsfähiges Paradigma regionaler Entwicklung. Es geht hier also – unter dem Eindruck von Klimawandel und Peak Oil – darum, Regionen auch in Zukunft, d. h. unter völlig veränderten Bedingungen resilient zu erhalten, oder auch – wie im Fall peripherer Regionen – darum, den Teufelskreis aus Abwanderung und Verlust der Lebensgrundlagen zu durchbrechen. Im Fokus stehen dabei konkret die Begründung der Notwendigkeit einer Re-Regionalisierung oder -Lokalisierung und die Identifikation der für eine solche Transformation oder Transition erforderlichen Eigenschaften von Regionen.

Wenn Sie näher an Fragen "regionaler Resilienz" interessiert sind, verweisen wir Sie gerne auf unser Buch zum Thema, das im September im Metropolis-Verlag erscheinen wird -- und natürlich auf den Themenschwerpunkt "Regionale Resilienz" auf unserer Website, der vor allem eine Reihe konkreter Beispiele vorstellt, die sich von der Idee regionaler Resilienz leiten lassen.