... national income and welfare measures are tools for understanding and analysis and should be suited to the segments of reality on which they are to be used.
Simon Kuznets
Der Wunsch, „Wirtschaft“ über Zeit und Raum hinweg vergleichbar zu machen, stand ganz am Beginn der Erfindung des BIP* – genauso alt sind indes die Zweifel an diesem Unterfangen. Leiser wurden sie erst mit der politischen Bedeutung, die dem BIP zukam, um wirtschaftliche Unterschiede und Veränderungen messen, v. a. aber makroökonomisch bearbeiten zu können. Das Streben nach Vergleichbarkeit bedeutete zusehends auch ein Vergleichbarmachen, eine auch praktische Homogenisierung von „Wirtschaft“ auf das hin, was im BIP erfasst werden kann – darauf konzentrieren sich die komplexen messtechnischen Anpassungen bis heute. Aber hält das BIP als abstrakte Maßzahl der Wirtschaftsleistung eigentlich noch dem Vergleich mit der konkreten wirtschaftlichen Realität der Menschen stand?
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Weiterlesen: Der Vergleich macht sicher? Das BIP vergleicht Äpfel mit Birnen
There is no such entity as GDP out there in the real world waiting to be measured by economists.
Diane Coyle
Maßzahlen sind nicht dazu da, eine komplexe Wirklichkeit abzubilden. Sie sollen sie vielmehr -- darauf hin, was wichtig erscheint -- vereinfachen und verwirklichen. Das BIP ist da keine Ausnahme: Es spiegelt weniger die wirtschaftliche Wirklichkeit wider als eine radikal reduzierte, herrschende Vorstellung davon, was in der Wirtschaft zählt und wozu sie gut sein soll – und wie man sie letztlich gestalten muss: Messen ist Macht. Was in die Wertrechnung einfließt, ist also nicht objektiv vorgegeben, sondern es beruht auf Vorstellungen davon, was Wert schafft -- "produktiv" ist. Diese Werte sind in das BIP eingeschrieben, und ständig kommen neue dazu, um den Maßstab an die veränderte Realität anzupassen. Aber sollten so mächtige Maßzahlen wie das BIP nicht vielmehr Gegenstand und Instrument wirtschaftsdemokratischer Willensbildung sein?
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Weiterlesen: Messen muss man? Das BIP ist ein Machtinstrument
[I]t measures everything in short, except that which makes life worthwile.
Robert Kennedy übers BIP*, in einer Wahlkampfrede zur US-Präsidentschaft 1968, drei Monate vor seiner Ermordung
Was Glück ist und wie wir es finden, das sind zurzeit viel diskutierte Fragen – und sie haben zuletzt auch das Wirtschaftsleben erfasst. Die Diskussion beruht hier v. a. auf der scheinbar paradoxen Tatsache, dass uns Geld nicht glücklich macht. ÖkonomInnen haben dafür einige Erklärungen parat, und sogenannte "GlücksökonomInnen" arbeiten auch fleißig an möglichen alternativen Kennzahlen zum BIP*, die das Glück – in zeitgemäßer Form – als ökonomische Zielgröße rehabilitieren sollen. Bei aller Kritik ist es also immer noch "die Wirtschaft", von der erwartet wird, dass sie uns glücklich machen soll. Aber ist diese Erwartung nicht selbst symptomatisch für den zentralen, überzogenen Stellenwert, den wir Wirtschaft in unserem Leben einräumen?
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Weiterlesen: Glück? Das BIP ist hoffnungslos materialistisch
... wenn wir das Kapital verschleudern, das die lebende Natur um uns herum darstellt,
bedrohen wir das Leben direkt.
Ernst Friedrich Schumacher
Das BIP* misst nur, was einen Preis hat – und was einen Preis hat, hat aus ökonomischer Sicht auch Wert. Daraus ergeben sich zwei folgenschwere Probleme der Wertrechnung: Sie kann nicht angemessen erfassen, was unbezahlt oder unbezahlbar ist. Und sie kann zwischen Wert und Unwert (Nutzen und Schaden) nicht unterscheiden. "Wertschöpfung", gemessen am BIP*, entwertet also den Beitrag reproduktiver Arbeit und produktiver Natur, und sie entsteht (nominal) aus deren Verwandlung und Verwertung in Warenform (als Produktionsfaktoren) – und nicht zuletzt aus deren "produktiver" Ausbeutung und Zerstörung. Aber bräuchten wir nicht eine differenzierte, kritische Bilanz wirtschaftlicher Wertschöpfung, abzüglich ihrer Kosten – anstelle einer totalen "Inwertsetzung" von eh allem, als letztes Aufgebot für noch mehr (fiktives) Wachstum?
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Weiterlesen: Blinde Flecken? Das BIP reduziert Ökonomie radikal
Ungleichheit beschäftigt die Menschen nicht mehr.
John Kenneth Galbraith
Gerechtigkeit – genauer: Verteilungsgerechtigkeit oder das Problem sozialer Ungleichheit – ist kein zentrales Anliegen einer am BIP* orientierten Wirtschaftspolitik. Gerechtigkeit erscheint, rein ökonomisch betrachtet, nur interessant als (unbeabsichtigtes) Ergebnis oder (neuerdings populärer) als Voraussetzung von Wirtschaftswachstum -- also nie um ihrer selbst willen.
Wachstum, gemessen am BIP*, galt dabei lange Zeit als überzeugende Ausrede auf die soziale Frage. Seit es mit dem Wachstum zu Ende geht und die soziale Ungleichheit wieder enorm ansteigt, wird auch immer deutlicher, dass diese Frage nie gelöst wurde. Mehr Wachstum würde sie aber auch in Zukunft nicht lösen, weil sie Gerechtigkeit durch nur immer mehr Ungerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen und global Benachteiligten erkauft. Das BIP ist also auf dem linken Auge blind -- muss sich Wirtschaftspolitik nicht allein deshalb ganz dringend nach alternativen Zielgrößen umschauen?
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Weiterlesen: Gerechtigkeit? Das BIP ist am linken Auge blind
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