Der Happy Planet Index (HPI) wurde 2006 von der britischen new economics foundation (nef) als "headline indicator" für gesellschaftlichen Fortschritt entwickelt. Als Basis dafür dienen der Index der Happy Life Expectancy, Vorläufer des Konzepts der HLY - Happy Life Years, und der Index des EFP - Ecological Footprint. Sie werden zu einem Quotienten verschmolzen, der als "Effizienzmaß" darüber Auskunft geben soll, wie viele glückliche Lebensjahre mit einem bestimmten Ressourceninput aktuell "produziert" werden.

 

Selbstverständnis und Motivation

Der Happy Planet Index (HPI) wird von seinen ErfinderInnen am Centre for Well-Being der nef als "index of sustainable well-being" verstanden. Er beschränkt sich auf ganz wenige essentielle Aspekte des Wohlbefindens ("measuring what matters"), kommt dabei ohne klassische ökonomische Kennzahlen aus und präsentiert sich damit als alternatives, wirklich universell anwendbares Vergleichsmaß für die Leistungsfähigkeit einer Regierung "to produce happy, healthy lives now and in the future" [1] -- eine Zielsetzung, von der arme und reiche Länder aus unterschiedlichen Gründen noch jeweils relativ weit entfernt sind, weil Wirtschaftswachstum Lebensglück nur eingeschränkt positiv, Nachhaltigkeit dagegen massiv negativ beeinflusst -- auch darauf will der HPI hinweisen.

 

Methodik

Der HPI vereint wenige, objektive und subjektive, ökonomische, soziale und ökologische Kennzahlen zu einem Effizienzmaß dafür, wie viele lange und glückliche Menschenleben auf einer bestimmten Fläche mit welchem Aufwand an natürlichen Ressourcen "produziert" werden können.

Rechnerisch ergibt sich der HPI als Quotient aus einer Indexzahl für "glückliche Lebensjahre" und dem EFP - Ecological Footprint:

HPI = subjektives Wohlbefinden x Lebenserwartung / ökologischer Fußabdruck

Der HPI lässt sich entweder als standardisierter Index auf einer Skala von 0-100 ausgeben, oder als graphischer Plot aus glücklichen Lebensjahren (meist y-Achse) und ökologischem Fußabdruck (meist x-Achse). Für jede der Komponenten gibt es nahezu weltweit verfügbare, in einheitlicher Form erhobene Daten: Subjektives Wohlbefinden wird aktuell mit dem Instrument "Ladder of Life" der Gallup World Poll erhoben, welche die Zufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation insgesamt, auf einer Skala von 0-10, messen soll. Daten zur Lebenserwartung entstammen dem UNDP Human Development Report. Der "ökologische Fußabdruck" wird nach der Methode und auf Basis der Daten des WWF berechnet. Aktuell lässt sich der HPI auf Basis dieser Daten für mehr als 150 Länder berechnen und vergleichen.

 

Aussagekraft

Der HPI lässt sich als abstrakte Maßzahl für das Ideal einer nachhaltigen Entwicklung interpretieren, welche -- gemäß der kanonisch gewordenen "Brundtland-Definition" -- "die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können". Die damit konkret gemessene Zielsetzung "to produce happy, healthy lives now and in the future" stellt eine zugleich essentielle wie universelle Herausforderung im Rahmen einer solchen nachhaltigen Entwicklung dar. Der HPI verdichtet dazu bestehende Indizes, besteht aber dennoch aus vergleichsweise wenigen Messgrößen. Angesichts der hohen Validität der einzelnen Indikatoren, der relativ verlässlichen Datenbasis und der Möglichkeit, den HPI wahlweise als Quotient oder als graphischen Plot auszugeben, ergibt sich hier aber -- gerade auch im Vergleich zu anderen, weitaus komplexeren Indizes -- ein bestechend günstiges Verhältnis zwischen Einfachheit und Aussagekraft. Die Aussage des HPI erscheint vor diesem Hintergrund klar, gültig, verlässlich und universell.

Empirisch zeigt der HPI ganz deutlich, dass Wohlbefinden und ökologische Nachhaltigkeit nicht einfach durch "mehr Wirtschaft", gemessen am BIP, zu haben sind -- ganz im Gegenteil: Ein wirklich enger kausaler Zusammenhang mit der Entwicklung des BIP lässt sich lediglich für die Lebenserwartung nachweisen. Wohlbefinden hat dagegen ab einem bestimmten Grad wirtschaftlicher Entwicklung nur mehr wenig mit Wirtschaftswachstum zu tun, und ökologische Nachhaltigkeit wird eher deutlich negativ davon beeinflusst.

Im Ländervergleich auf Basis des HPI schneiden dementsprechend relativ überraschend ganz andere Länder am besten ab als bei den anderen, alternativen Länderrankings auf Basis bspw. des BLI - Better Life Index, LPI - Legatum Prosperity Index oder SPI - Social Progress Index, die sich im Ranking kaum unterscheiden. Vorne liegen nämlich Länder wie Costa Rica oder Kolumbien, aber auch Vietnam, die in allen Bereichen relativ gut abschneiden -- auch wenn sie nicht perfekt sind. Indes: Bangladesh liegt auf Rang 11, Albanien als mit Abstand bestes europäisches Land (noch einige Plätze vor Norwegen) auf Rang 18. Länder mit hohem Wohlstandsniveau auf Basis eines unverantwortbaren ökologischen Fußabdrucks landen dagegen bestenfalls im Mittelfeld -- ein Land wie Qatar findet sich gar an vorvorletzter Stelle. Wenn auch weitgehend intuitiv nachvollziehbar, bringt dieses Ranking herkömmliche Vorstellungen von gesellschaftlicher Entwicklung doch ordentlich ins Wanken -- was an sich gut und richtig ist. Zugleich macht sich das Fehlen weiterer (z. B. politischer, sozialer und kultureller) Indikatoren im Einzelfall doch negativ bemerkbar: Im Fall von Qatar meint man vielleicht darauf verzichten zu können, im Fall von Albanien oder Bangladesh wohl eher nicht.

Aktuell kann der HPI deshalb v. a. als heuristisches Tool, als Prototyp für eine neue Sozial- und Wirtschaftsstatistik, und als erfrischender Beitrag zur Debatte um nachhatigen gresellschaftlichen Fortschritt betrachtet werden. nef beteiligt sich davon ausgehend an der Entwicklung eines Systems ähnlich aufgebauter Indizes oder "headline indicators", die gesellschaftlichen Fortschritt in umfassender Weise -- hinsichtlich seiner Ziele, der dafür notwendigen Ressourcen, Prozesse und Systeme -- messen soll, die nicht nur methodologisch möglichst wasserdicht, sondern v. a. politisch relevant und brauchbar ist.

 

Praxis

Die Aussage des HPI lässt sich auch zu einer überzeugenden politischen Forderung verdichten: Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung geht es darum, das Leben der Menschen konkret zu verbessern und das nicht auf Kosten anderer, der natürlichen Umwelt und künftiger Generationen zu tun. In diesem Sinne lässt sich der HPI auch als Zielwert definieren (z. B. ein Wert von 89 bis 2050), basierend auf aus heutiger Sicht erreichbaren Zielgrößen in allen Bereichen. Um die Umsetzung dieser Ziele politisch verbindlich zu machen, schlägt nef eine sogenannte Happy Planet Charter vor, die von Regierungen unterzeichnet werden soll, die das Ziel, nachhaltiges soziales Wohlbefinden für alle sicherzustellen, an die erste Stelle ihrer Bemühungen stellen wollen. Hoffnung setzt man dabei nicht zuletzt in die UNO, die den HDI (oder ein ähnlich ausgestaltetes, erweitertes Indikatorensystem) im post-MDG Rahmenwerk ab 2016 verankern könnte.

 

Plus/Minus

+

  • überzeugend konzipiert, klar & einfach verständlich
  • vereint subjektive & objektive Messgrößen
  • vereint soziale, ökon. & ökol. Aspekte in innovativer Weise
  • konzipiert ökonomische Größen als Mittel zum Zweck, nachhaltiges Wohlbefinden für alle zu schaffen
  • macht deutlich, dass die Herausforderungen für alle Staaten - ob reich oder arm - im wesentlichen dieselben sind
  • macht deutlich, dass das alles in erster Linie keine methodologischen, sondern politische Fragen & Entscheidungen sind
  • zeigt ein völlig anderes Bild von "fortgeschrittenen Ländern"

-

  • hat natürlich Lücken
  • liefert teils fragwürdige Ergebnisse (z. B. die guten Platzierungen von Bangladesh und von Albanien als bestes europäisches Land)

 

Quellen

[1] Factsheet "Happy Planet Index" >> ONLINE-DOKUMENT

[2] Happy Planet Index >> OFFIZIELLE WEBSITE

[3] Stiglitz et al. 2009 : 52

Der Canadian Index of Wellbeing (CIW) wurde 1999 von der Atkinson Charitable Foundation (ACF) initiiert und bis 2010 getragen. Seit 2011 werden Entwicklung und Erhebung des CIW landesweit von der Faculty of Applied Health Sciences an der University of Waterloo betreut.

 

Selbstverständnis und Motivation

Der CIW basiert auf einer komplexen Vorstellung von "Wohlbefinden" ("wellbeing") im Sinne umfassender Lebensqualität. Er soll als statistisches Instrument die vielfältigen, objektiven und subjektiven Ausprägungen dieses Wohlbefindens in ihrer Entwicklung erfassen und als politisches Instrument CanadierInnen dazu "empower[n] ... to hold governments accountable for their actions and decisions." [1]

 

Methodik

Der CIW ist ein zusammengesetzter Index, der "Wohlbefinden" ("wellbeing") in acht Bereichen und anhand 64 Indikatoren messen soll:

  • guter Lebensstandard, gemessen durch Vergleich oberstes/unterstes Einkommensquintil, Medianeinkommen, Anteil Niedriglohnbezieher, ökonomische Sicherheit, Langzeitarbeitslose, Erwerbsquote, Jobqualität, erschwingliches Wohnen
  • robuste Gesundheit, gemessen durch Einschätzung eigener Gesundheit, Diabetes-Fälle, Lebenserwartung bei der Geburt, Anteil rauchender Teeenager, Häufigkeit von Depressionen, Zufriedenheit mit Gesundheitsversorgung, Anteil grippegeimpfter SeniorInnen, prospektive gesunde Lebensjahre
  • nachhaltige Umweltnutzung, gemessen durch bodennahes Ozon, absolute THG-Emissionen, Primärenergieproduktion, Wasserverbrauch, Umgang mit nicht-erneuerbaren Energie- & Metallreserven, Living Planet Index, Meereslebewesen
  • lebendige Gemeinschaften, gemessen durch Anteil Vereinsangehöriger, Anteil derer mit mehr als sechs engen Freunden, Eigentumsdelikt- & Gewaltverbrechensrate, Anteil derer die sich sicher fühlen nachts alleine zu gehen, Anteil derer die angeben sich nicht um andere Leute zu kümmern, Anteil der Hilfsbereiten, Anteil derer, die sich ihrer lok. Gemeinschaft zugehörig fühlen
  • gut ausgebildete Bevölkerung, gemessen durch Angebot an Kinderkrippen, Anteil gut entwickelter Kinder, Lehrer-Schüler-Quotient, Ausmaß sozialer und emotionaler Kompetenz bei Jugendlichen, Erwerb grundlegender Kenntnisse und Fertigkeiten von 13-15jährigen, Einfluß soziodemograph. Merkmale auf PISA-Test, Anteil der High School-Absolventen
  • ausgewogene Zeitverwendung, gemessen durch Anteil derer, die über 50h/Woche arbeiten, empfundener Zeitdruck in der Arbeit, Anteil freiwilliger Helfer für SeniorInnen, Anteil aktiver & "ehrenamtlicher" SeniorInnen, Anteil Jugendlicher die mehr als 2h fernsehen & videospielen, Anteil der Kinder mit regelmäßigen struktur. Aktivitäten, Anteil der Kleinkinder denen regelmäßig vorgelesen wird
  • hohe demokratische Beteiligung, gemessen durch Wahlbeteiligung bei gesamtstaatl. Wahlen, Anteil der Politikverdrossenen, Anteil derer die Wählen für eine Bürgerpflicht halten, Anteil der mit dem polit. Prozess wenigstens Zufriedenen, Anteil der mit den Ergebnissen staatl. Politik insgesamt Zufriedenen, Verhältnis registrierte & stimmberechtigte Wähler, Frauenanteil im Parlament, Anteil der öffentl. Entwicklungshilfe am BNE
  • Zugang zu und Teilnahme an Freizeit- und kulturellen Aktivitäten, gemessen durch durchschnittl. aufgewendete Zeit für soziale Freizeitaktivitäten, kulturelle Aktivitäten, Freiwilligenarbeit für kulturelle und rekreative Einrichtungen, körperl. Aktivität über 15', Anzahl der besuchten Kulturveranstaltungen, Aufenthalte in der Natur, Urlaubsaufenthalte, Anteil der Ausgaben für kulturelle & Freizeitaktivitäten am Haushaltsbudget

Die Bereiche wurden auf Basis von Erhebungen und Befragungen in der kanadischen Bevölkerung bestimmt -- was den CIW als citizen-driven index hinsichtlich seiner Einbindung der Betroffenen (zumindest bei der Konzeption) einzigartig macht. Als percentage change index werden die Veränderungen in jedem der acht Bereiche seit 1994 (dem Basisjahr) verfolgt. 2011 wurde die Entwicklungsphase des CIW-Index abgeschlossen, seither werden Daten (nunmehr von der University of Waterloo) regelmäßig veröffentlicht und auch mit der Entwicklung des BIP verglichen.

 

Aussagekraft

Der CIW kann sowohl als aggregierter Gesamt-Index als auch als Tableau von Teil-Indizes der acht unterschiedenen Bereiche ausgegeben werden. Damit lässt sich einerseits die Entwicklung des Wohlbefindens der CanadierInnen insgesamt beobachten und ggf. mit der des BIP vergleichen, andererseits lässt sich damit auch untersuchen, welche Bereiche sich besser, welche schlechter -- oder sogar negativ -- entwickeln und wie diese Entwicklungen miteinander und z. B. auch mit Wirtschaftswachstum zusammenhängen. Angesichts der Fülle relevanter Daten kann der CIW für diesen Zweck als hoch valide angesehen werden. Angesichts der noch mangelnden Qualität und Lückenhaftigkeit der Daten muss die Verlässlichkeit des Index noch mit Vorsicht betrachtet werden. Damit erweist er sich auch hinsichtlich seiner methodologischen Qualitäten als komplementäres Korrektiv des BIP (verlässlich, aber kaum gültig als Maßzahl für Wohlbefinden). Seit die University of Waterloo 2011 die Patronanz des CIW übernommen hat, wird laufend an der Verbesserung (Ergänzung, Konsolidierung) der Datengrundlage und auch der Zusammenarbeit mit offiziellen statistischen Behörden gearbeitet.

 

Praxis

2011 wurde der erste nationale Bericht auf Basis des CIW erstellt -- 2014 folgte der erste Bericht auf Provinzebene für Ontario. Der nationale CIW zeigt einen deutlich geringeren Anstieg seit Mitte der 1990er im Vergleich zum BIP im selben Zeitraum: nur knapp 6% statt des fast 30%igen Wirtschaftswachstums, mit einem deutlichen Knick mit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Darin offenbart sich zwar der enge Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung -- vor allem vermittelt durch die Abhängigkeit von Geld zur Stillung materieller und immaterieller Bedürfnisse. Zugleich weisen gerade die Bereiche Freizeit- und kulturelle Aktivitäten sowie natürliche Umwelt auch in Zeiten des BIP-Wachstums deutlich negative Werte auf. BIP vs. CIW
Der CIW macht damit deutliche und politisch hoch relevante Aussagen über die Entwicklung der Lebensqualität. Er wird allerdings momentan in relativ langen Abständen berechnet (zuletzt für 2010), was seine Brauchbarkeit für die Praxis deutlich schmälert. Die Bedeutung des CIW liegt deshalb momentan noch vor allem in der Schaffung öffentlicher Aufmerksamkeit für Fragen der Lebensqualität und der Kosten des Wirtschaftswachstums. Um unmittelbar politisch stärker wahrgenommen zu werden, sollen indes relevante Organisationen, Behörden und politische EntscheidungsträgerInnen auch unmittelbar stärker über die Bedeutung des CIW informiert und zur Zusammenarbeit gewonnen werden.

 

Plus/Minus

+

  • sehr umfassendes Konzept des Wohlbefindens
  • gute, valide Indikatoren
  • guter Mix aus objektiven und subjektiven Indikatoren
  • beinhaltet keinerlei Daten der VGR, steht damit für ein "Gegenmodell" zur ökonomischen Wohlstandsmessung

-

  • keinerlei Integration in die VGR
  • mangelnde Verlässlichkeit der Daten

 

Quellen

[1] Factsheet "Canadian Index of Wellbeing" >> ONLINE-DOKUMENT

[2] Canadian Index of Wellbeing >> OFFIZIELLE WEBSITE

Der Better Life Index (BLI) wird seit 2011 von der OECD erstellt, um die "allgemeine Lebensqualität" in den 34 OECD-Mitgliedsstaaten und einigen weiteren Ländern wie Brasilien und Russland, aber -- mit einem abgespeckten Indikatorenset -- auch in Teilregionen (Provinzen, Bundesländern) vergleichbar zu machen.

 

Selbstverständnis und Motivation

Die OECD gehörte nach der UNO und mit der Weltbank zu den Institutionen, die sich -- auf Basis ihrer umfangreichen vergleichenden Statistiken -- schon vor einigen Jahren über Alternativen zum BIP als zentraler wirtschaftspolitischer Kennzahl Gedanken machten. Zum 50. Geburtstag der OECD wurde 2011 mit dem Better Life Index (BLI) ein Kennzahlensystem mit angeschlossenem interaktivem Webportal gelauncht, welches diese Überlegungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Konkreter Anlass für den BLI war das wahrgenommene Bedürfnis nach einer Maßzahl dafür, "worauf es im Leben ankommt", und dass Regierungen zunehmend danach -- und nicht nach dem Wachstum des BIP -- gemessen werden sollten. "Die Better Life Initiative der OECD soll hier Abhilfe schaffen. Ihr Ziel ist es, zu klären, was für das Wohl der Menschen wichtig ist und was Staaten tun können, um größere Fortschritte für alle zu erzielen." [1] Der BLI soll dazu als Kennzahl "die allgemeine Lebensqualität in einem Land" repräsentieren.

 

Methodik

Der BLI besteht aus elf Themenfeldern, "die zu Lebensqualität und Wohlergehen beitragen" und anhand von 24 Einzelindikatoren gemessen werden:

  • Gemeinsinn, gemessen an der wahrgenommenen Qualität des unterstützenden sozialen Netzwerks ("social network support")
  • Bildung, gemessen am Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung mit zumindest sekundärer Bildung, an PISA-Testergebnissen & prospektiven Bildungsjahren für 5-Jährige
  • Umwelt, gemessen an Luftverschmutzung (Feinstaubbelastung in Ballungszentren) & subjektiv wahrgenommener Wasserqualität
  • zivilgesellschaftliches Engagement, gemessen an subjektiv wahrgenommenem Einfluss auf die Gesetzgebung & letzter Wahlbeteiligung
  • Gesundheit, gemessen an Lebenserwartung & subjektiv wahrgenommener guter Gesundheit
  • Wohnverhältnisse, gemessen an Wohnausgaben, Anteil der Wohnungen ohne sanitäre Grundausstattung & Räumen/Person
  • Einkommen, gemessen am verfügbaren Haushalts-Nettoeinkommen & -vermögen
  • Beschäftigung, gemessen an Beschäftigungs- & Langzeit-AL-Quote, Jobsicherheit (Wahrscheinlichkeit, arbeitlos zu werden) & Einkommen unselbständiger Beschäftigter nach Vollzeit-Äquivalenten
  • Lebenszufriedenheit, gemessen an subjektiv wahrgenommener Lebenszufriedenheit (lt. Gallup World Poll, Mittelwert aus versch. Selbsteinschätzungen von 0-10, der sog. "Cantrill Ladder" oder "Self-Anchoring Striving Scale")
  • Sicherheit, gemessen an subjektiv angegebener "Übergriffsrate" & Mordrate
  • Work-Life-Balance, gemessen am Anteil von Beschäftigten mit sehr langen Arbeitszeiten (>50 Stunden) & Zeit für Freizeit & Regeneration (gemessen durch nationale Zeitverwendungsstatistiken)

Bei regionalen Analyse auf Provinz- oder Bundesländer-Ebene werden lediglich neun Themenfelder erfasst (ohne Gemeinsinn, Lebenszufriedenheit & Work-Life-Balance), die meist nur durch einen einzigen Indikator gemessen werden. Die einzelnen Themenfelder werden grundsätzlich gleich gewichtet, über das Web-Interface "Your Better Life Index" sind aber individuelle Gewichtungen möglich. Die Themenfelder lassen sich als unterschiedlich große "Blütenblätter" graphisch veranschaulichen, welche Merkmalsausprägungen von Lebensqualität darstellen sollen. Sie lassen sich aber auch zu einem Gesamt-Score aggregieren, der Basis für ein Länder-Ranking ist. Der Fokus des Ländervergleichs liegt auf den die 34 OECD-Mitgliedsstaaten, Brasilien und Russland, es werden aber nach Verfügbarkeit der Daten weitere Länder einbezogen.

 

Aussagekraft

Der BLI lässt sich als zusammengesetzter Indikator für "allgemeine Lebensqualität" interpretieren. Es ist aber auch möglich, einzelne Themenfelder und sogar Einzelindikatoren miteinander zu vergleichen und zu analysieren. Die Ergebnisse lassen sich (mit eingeschränktem Indikatorensatz) auch regional und nach bestimmten soziodemographischen Merkmalen ausgeben. Der BLI kommt -- vergleicht man die ungewichteten Länderrankings -- zu recht ähnlichen Ergebnissen wie der LPI - Legatum Prosperity Index und der SPI - Social Progress Index, und er korreliert wie diese deutlich mit dem BIP -- und bestätigt damit dessen Wert als Proxy dafür, was der BLI misst. Auch der BLI entzieht sich der Frage, wie und v. a. wie nachhaltig diese Lebensqualität letztlich produziert wird -- und inszeniert sie als fairten Wettbewerb zwischen Nationalstaaten. Zugleich scheint die Möglichkeit, die gemessenen Themenfelder kurzfristig politisch zu beeinflussen, meist sehr begrenzt. Die Möglichkeit, individuelle Gewichtungen der einzelnen Bereiche vorzunehmen, macht vielmehr deutlich, dass es sich auch beim BLI letztlich um kein politisch brauchbares Instrument handelt, sondern eher um ein verspieltes Tool mit fragwürdigem Informationswert.

 

Praxis

Der BLI dient in erster Linie als Basis für die Information der Öffentlichkeit über die "allgemeine Lebensqualität" in verschiedenen Ländern und Regionen, die über ein interaktives Web-Portal bezogen werden kann.

 

Plus/Minus

+

  • stringentes Design
  • aussagekräftige Indikatoren
  • Information nach Regionen und soziodemographischen Merkmalen möglich

-

  • ökologische Aspekte relativ vernachlässigt
  • Quellen und Nachhaltigkeit von Lebensqualität werden nicht thematisiert -- reine Zustandsbeschreibung
  • relativ wenige Indikatoren für einzelne Themenfelder, v. a. auf regionaler Ebene
  • reines Info-Tool ohne politische Relevanz

 

Quellen

[1] OECD Better Life Index >> OFFIZIELLE WEBSITE

Der Index zur Erhebung des Bruttonationalglücks (BNG -- engl. Gross National Happiness - GNH) geht auf eine Initiative des Königs von Bhutan, Jigme Singye Wangchuk, von Anfang der 1970er zurück -- der sich wiederum auf einen Gesetzestext aus dem 18. Jahrhundert berufen haben soll,eine Regierung hätte keine Legitimation, wenn sie nicht für das Glück ihrer Bürger sorgen könnte. Konzipiert wurde der BNG-Index allerdings erst im Jahr 2008, von einer eigens eingesetzten staatlichen Kommission, wissenschaftlich betreut durch das Centre for Bhutan Studies. Demokratisch legitimiert ist dieses Unterfangen auch heute noch nicht -- was die Beteiligung der eigentlich Betroffenen, der Bevölkerung, an der Erhebung des Bruttonationalglücks und die Anbindung an die politische Praxis angeht, sticht der BNG-Prozess indes immer noch positiv aus dem "Ländergütesiegeldschungel" hervor.

 

Selbstverständnis und Motivation

Das BNG versteht sich als ganzheitlicherer Bezugsrahmen für Lebensstandard in seinen subjektiven und spirituellen Dimensionen -- und damit als Ergänzung und Gegenentwurf zum BIP, das lediglich Geldflüsse abbildet. Eine nachhaltige Entwicklung, so der Grundgedanke dahinter, kann es nur in Harmonie materieller, kultureller und spiritueller Elemente geben, die einander ergänzen, bedingen und bestärken. Der BNG-Index soll es erlauben, diese Entwicklung zu beobachten und v. a. die Lebensbedingungen der noch weniger glücklichen Einwohner zu verbessern. Dafür wird er unmittelbar und verbindlich in politische Prozesse eingebunden.

 

Methodik

Der BNG-Index ist ein multidimensionaler, zusammengesetzter Indikator, der -- entgegen seinem Namen -- nicht bloß subjektives Wohlbefinden und Glück misst, sondern auch soziale und ökologische Lebensumstände, wie sie sich für die unmittelbar davon Betroffenen darstellen. Das Konzept des BNG beruht auf vier Grundprinzipien: guten Regierungs- und Verwaltungsstrukturen, einer nachhaltigen bzw. sozial gerechten sozio-ökonomischen Entwicklung, der Bewahrung und Förderung kultureller Werte und derm Schutz der Umwelt.

Der BNG-Index umfasst in seiner aktuellen Fassung neun Bereiche des "Wohlbefindens", die es erlauben, ein "gutes Leben" nach den genannten Grundprinzipien des GNH führen zu können, und die ihrerseits durch 33 Einzel-Indikatoren gemessen werden sollen:

  • psychologisches Wohlbefinden
  • Lebensstandard
  • Good Governance (also gute Regierungs- & Verwaltungsstrukturen
  • Gesundheit
  • Bildung
  • kommunale Vitalität
  • kulturelle Diversität & Resilienz
  • Zeitverwendung
  • ökologische Vielfalt & Resilienz

Die 33 Indikatoren werden seitens des Center for Bhutan Studies, welches die Entwicklung und Erhebung des BNP wissenschaftlich betreut, als statistisch verlässlich, normativ wichtig und leicht verständlich/kommunizierbar erachtet. Der BNP wird in der Art eines statistisch repräsentativen Surveys per Fragebogen erhoben, dabei werden Fakten-, Einstellungs- und Befindensfragen gestellt. Beim letzten GNH Survey 2010 wurden 7142 BürgerInnen befragt -- für 6476 (90,7%) gab es genügend Daten. Die Auswertung der Daten erfolgt auf drei verschiedene Arten: Beim "headcount" wird der Anteil der "Glücklichen" an der Bevölkerung (jene mit guten Werten in mindestens sechs Bereichen) ermittelt, im Hinblick auf "intensity" wird der Anteil jener Bereiche ermittelt, in denen selbst die "Unglücklichen" "glücklich" sind, und im "GNH index" werden die beiden ersten Ansätze in einer standardisierten Index-Zahl zusammengefasst. Jeder Bereich wird dabei gleich gewichtet, objektive Indikatoren stärker als subjektive. Es können aber auch Einzelindikatoren ausgegeben und nach bestimmten soziodemographischen Merkmalen analysiert werden.

 

Aussagekraft

Vom Design, von der Auswahl der Indikatoren, aber auch von der Erhebungsmethode her kann sich der BNG-Index mit wesentlich aufwändiger erstellten und kommunizierten Kennzahlen durchaus messen. Durch den Survey-Zugang werden hier zwar vorwiegend subjektive Daten erfasst -- es geht dabei aber nicht nur um schwierig interpersonell vergleichbare Fragen von Glück und Zufriedenheit, sondern im Vordergrund steht die Frage, was den Menschen wichtig ist, um ein gutes Leben führen zu können, und wie sie ihr unmittelbares Lebensumfeld darauf hin einschätzen.

 

Praxis

Der Index des BNG ist -- neben dem BIP -- vielleicht die einzige unter den hier behandelten Kennzahlen, die geeignet erscheint, unmittelbar politisch wirksam zu werden -- auch wenn das v. a. an der paternalistischen Intention und Legitimation des BNP-Prozesses liegen sollte. Begleitend zum Erhebungs- und Analyseinstrumentarium werden auch "GNH Policy & Project Screening Tools" eingesetzt, die dafür sorgen sollen, dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen tatsächlich durch die zuständigen politischen und administrativen Stellen in die Praxis umgesetzt werden. Inwieweit das tatsächlich geschieht, soll wiederum durch extern messbare "pro-GNH screening tools" ermittelt werden. Diese enge Anbindung an den politischen Prozess ist sicherlich eine Besonderheit des BNG-Systems. Auch wenn gelebte Demokratie in Bhutan keine Realität ist, auch im BNG keine Rolle spielt und die Mitsprache der Bevölkerung in Sachen "Bruttonationalglück" sich letztlich auf Antworten zu vorgegebenen Fragen beschränkt -- von diesem Instrument ließe sich sicherlich einiges lernen, wenn es darum geht, eine glaubwürdige Alternative zum BIP zu begründen, die etwas über Lebensbedingungen und -wünsche aussagt, die aber letztlich auch demokratisch legitimiert sein sollte.

 

Plus/Minus

+

  • vom Survey-Zugang her innovativ, aussagekräftig und mit Legitimität ausgestattet
  • nachvollziehbare, relativ kohärente Systematik
  • einzigartige Anbindung an politische & administrative Praxis

-

  • paternalistisch, demokratische Legitimität fraglich

 

Quellen

[1] Gross National Happiness >> OFFIZIELLE WEBSITE

Den Sustainable Society Index (SSI) der niederländischen Sustainable Society Foundation gibt es bereits seit 2006 -- und in 2008 und wiederum 2012 aktualisierter Fassung bis heute. Der SSI präsentiert sich dabei als ein relativ schlankes, aber aussagekräftiges Indikatorenset, das dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit folgt, ohne aufwändige Aggregation auskommt und dabei doch politisch hoch relevant sein kann.

 

Selbstverständnis und Motivation

Der Sustainable Society Index (SSI) soll ein einfaches und transparentes Werkzeug sein, um das gesellschaftliche Leitbild einer integrierten nachhaltigen Entwicklung statistisch zu erfassen, dabei Zusammenhänge und Trends aufzuzeigen, als Vergleichsmaßstab für unterschiedliche Länder und Regionen zu dienen und letztlich auch Anlass und Anleitung für verschiedene politische Handlungsfelder zu geben.

 

Methodik

Ausgangspunkt des SSI ist die Vision einer integrierten nachhaltigen Entwicklung. Er unterscheidet "three wellbeing dimensions", die von insgesamt 21 Einzel-Indikatoren erfasst werden sollen.

  • menschliches Wohlbefinden, abhängig von Grundbedürfnissen (Essen, Trinken, Hygiene), Gesundheit (Gesundheit, Luft, Wasser), persönlicher & gesellschaftlicher Entwicklung (Bildung, Gender equality, Einkommensverteilung, good governance)
  • natürliches Wohlbefinden, abhängig von Luftqualität, Biodiversität, Umgang mit erneuerbaren Ressourcen und Energien und dem Ausstoß von Treibhausgasen
  • wirtschaftliches Wohlbefinden, dezidiert als Mittel konzipiert und abhängig von ökonomischer Transition, gemessen u.a. durch Anteil der Bio-Landwirtschaft und "genuine savings", der Entwicklung des BIP, von Beschäftigung und öffentlicher Verschuldung

Der SSI deckt derzeit bereits 151 Länder oder 99% der Weltbevölkerung ab. Die Daten kommen durchwegs aus öffentlich zugänglichen Statistiken. Für 50 Länder sind allerdings keine ausreichenden Daten vorhanden, darunter Afghanistan, Djibouti, Eritrea, Somalia and Surinam.

 

Aussagekraft

Der SSI wird nicht zu einem Gesamt-Score aggregiert, sondern als graphische Übersicht ("Spinne") für alle 21 Indikatoren dargestellt, die jeweiligen Handlungsbedarf aufzeigt, einen einfachen, aber doch differenzierten Vergleich zwischen verschiedenen Ländern zulässt und dabei auch veranschaulicht, dass Wohlbefinden und Nachhaltigkeit in reichen und armen Ländern auseinanderdriften -- und zwar aus unterschiedlichen Gründen.

 

Praxis

Angewendet wird der SSI noch nicht -- er würde sich aber besser als politisches Instrument eignen als vom Anspruch und der Grundkonzeption her vergleichbare, aber hypertrophe Indizes wie der LPI - Legatum Prosperity Index oder der SPI - Social Progress Index.

 

Plus/Minus

+

  • einfache, gut nachvollziehbare Konzeption & klare Aussage
  • beruht auf breit & öffentl. verfügbaren Daten
  • methodologisch unproblematisch & politisch relevant und brauchbar

-

  • eigentümliche Auffassung von "wellbeing", wenngleich sich einfach als Aspekt/e nachhaltiger Entwicklung interpretieren lässt

 

Quellen

[1] Geurt Vandekerk (2012): [The Sustainable Society Index] >> ONLINE-DOKUMENT

[2] Sustainable Society Foundation. Sustainable Society Index >> OFFIZIELLE WEBSITE

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